Bankrotterklärung
Unter dem Titel »Bankrott. Auch eine Pleite der Rechtschreibreform« erschienen in: Frankfurter Allgemeine, 9. 4. 2002
Im Wörterverzeichnis, das dem Regelwerk der Rechtschreibreform angehängt ist, findet sich der Eintrag: »Bankrott [machen, gehen(*) (in den Bankrott gehen) § 55(4)]«
Mit Hilfe des Verweises wird Bankrott zu jenen Substantiven gezählt, „die Bestandteile fester Gefüge sind und nicht mit anderen Bestandteilen des Gefüges zusammengeschrieben werden“. Das in der Schreibung geänderte Gefüge *Bankrott gehen ist an der betreffenden Stelle des Regelwerks nicht unter den Beispielen aufgeführt. Hingegen finden sich die Exempel „Recht haben/behalten/bekommen, Unrecht haben/behalten/bekommen“. Bekanntlich haben diese vermeintlichen „Einzelfälle des Typs Substantiv + Verb“ (3KB, S. 68) den Reformern besonders große Sorgen bereitet. Nachdem sie auf die berüchtigten Probleme mit der Groß- und Kleinschreibung in diesem Bereich schon im ersten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission von 1997/98 eingegangen waren, kommen sie im dritten von 2001 von neuem auf das Thema zurück. Dabei präsentieren im Verlaufe der Erörterung von *Recht haben ein neues Argument. „Die französische Entsprechung avoir raison legt es nahe, dass in dieser Verbindung das Substantiv das Recht und nicht das Adjektiv recht vorliegt.“ (S. 74)
Das überraschende sprachvergleichende Exkurs reizt dazu, sich an dem Kommissionsdissidenten Horst H. Munske ein Beispiel zu nehmen und seinen Betrachtungen zu „sogenannt“ und seinen Verwandten solche zu einer anderen europäischen Wortfamilie folgen zu lassen. Denn der Bankrott – zum Teil nur der betrügerische – wird paneuropäisch mit beinahe gleichlautenden Wörtern bezeichnet.
Woher stammen sie? Die englische Schreibung bankrupt, bankruptcy läßt auf eine Entlehnung aus dem Mittellateinischen schließen, die polnische bankrut, bankructwo auf einen Umweg über das Französische. Am wahrscheinlichsten ist aber wohl die Annahme, daß Bankrott ebenso wie Agio, Giro und andere finanztechnische Begriffe ursprünglich aus dem frühneuzeitlichen Italienisch in den Wortschatz des Deutschen und – mutatis mutandis – in den der meisten anderen europäischen Sprachen eingegangen ist. Im Unterschied zu den letztgenannten Wörtern wurde das Wort dabei überall lautlich und schriftlich integriert, und zwar nicht nur oberflächlich wie etwa Skonto.
Im Italienischen gibt es nur die bancarotta, nicht hingegen ein Adjektiv *bancarotto (hierfür hat man fallito und insolvente). Entsprechend liegen die Verhältnisse im Französischen: Neben das Ereignis des banqueroute tritt noch der Verursacher, der banqueroutier, der aber insolvable und nicht etwa *banquerout ist. In den meisten anderen europäischen Sprachen jedoch sprießen aus der gleichen Wurzel sowohl Substantive wie Adjektive. Für das Deutsche, wo beide gleichlautend sind, wird dies von den Reformern auch gar nicht bestritten; sie gehen aber im Falle von *Bankrott gehen in Analogie zu *Pleite gehen von einer „substantivischen Auffassung“ des ersten Bestandteils des Gefüges aus. Angeblich handelt es sich um die „Verkürzung einer Präpositionalphrase“ (S. 71). Diese nicht näher begründete Annahme steht hinter dem erläuternd gemeinten Zusatz des Wörterverzeichnisses: (in den Bankrott gehen).
Es trifft sich nun, daß es nicht nur für Bankrott und bankrott, sondern darüber hinaus auch für bankrott gehen genaue Entsprechungen in anderen germanischen Sprachen gibt. So sagen die Dänen gå bankerot. Vor dem 1948 erfolgten Verzicht auf die Hauptwortgroßschreibung nach deutschem Muster schrieb sich das mit kleinem b (und gaa mit zwei a). Auch der englische Usus zeigt, wie abwegig die von den Reformern – wohlgemerkt für eine obligatorischen Neuschreibung – ins Feld geführte „substantivische Auffassung“ ist. Hier heißt es nämlich go bankrupt. Auch ohne Hauptwortgroßschreibung liegen die grammatikalischen Verhältnisse klar zutage. Das dem deutschen Bankrott mit großem B entsprechende englische Substantiv heißt bankruptcy. Zwar kann auch bankrupt ein Substantiv sein, dann aber in der Bedeutung Bankrotteur. Teilte ein Sprecher des Englischen die Interpretation der deutschen Rechtschreibreformer, so müßte er folglich go bankruptcy schreiben, als Verkürzung von go into bankruptcy. Es sind jedoch keine derartigen Fälle bekannt.
Im Wörterverzeichnis, das dem Regelwerk der Rechtschreibreform angehängt ist, findet sich der Eintrag: »Bankrott [machen, gehen(*) (in den Bankrott gehen) § 55(4)]«
Mit Hilfe des Verweises wird Bankrott zu jenen Substantiven gezählt, „die Bestandteile fester Gefüge sind und nicht mit anderen Bestandteilen des Gefüges zusammengeschrieben werden“. Das in der Schreibung geänderte Gefüge *Bankrott gehen ist an der betreffenden Stelle des Regelwerks nicht unter den Beispielen aufgeführt. Hingegen finden sich die Exempel „Recht haben/behalten/bekommen, Unrecht haben/behalten/bekommen“. Bekanntlich haben diese vermeintlichen „Einzelfälle des Typs Substantiv + Verb“ (3KB, S. 68) den Reformern besonders große Sorgen bereitet. Nachdem sie auf die berüchtigten Probleme mit der Groß- und Kleinschreibung in diesem Bereich schon im ersten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission von 1997/98 eingegangen waren, kommen sie im dritten von 2001 von neuem auf das Thema zurück. Dabei präsentieren im Verlaufe der Erörterung von *Recht haben ein neues Argument. „Die französische Entsprechung avoir raison legt es nahe, dass in dieser Verbindung das Substantiv das Recht und nicht das Adjektiv recht vorliegt.“ (S. 74)
Das überraschende sprachvergleichende Exkurs reizt dazu, sich an dem Kommissionsdissidenten Horst H. Munske ein Beispiel zu nehmen und seinen Betrachtungen zu „sogenannt“ und seinen Verwandten solche zu einer anderen europäischen Wortfamilie folgen zu lassen. Denn der Bankrott – zum Teil nur der betrügerische – wird paneuropäisch mit beinahe gleichlautenden Wörtern bezeichnet.
Woher stammen sie? Die englische Schreibung bankrupt, bankruptcy läßt auf eine Entlehnung aus dem Mittellateinischen schließen, die polnische bankrut, bankructwo auf einen Umweg über das Französische. Am wahrscheinlichsten ist aber wohl die Annahme, daß Bankrott ebenso wie Agio, Giro und andere finanztechnische Begriffe ursprünglich aus dem frühneuzeitlichen Italienisch in den Wortschatz des Deutschen und – mutatis mutandis – in den der meisten anderen europäischen Sprachen eingegangen ist. Im Unterschied zu den letztgenannten Wörtern wurde das Wort dabei überall lautlich und schriftlich integriert, und zwar nicht nur oberflächlich wie etwa Skonto.
Im Italienischen gibt es nur die bancarotta, nicht hingegen ein Adjektiv *bancarotto (hierfür hat man fallito und insolvente). Entsprechend liegen die Verhältnisse im Französischen: Neben das Ereignis des banqueroute tritt noch der Verursacher, der banqueroutier, der aber insolvable und nicht etwa *banquerout ist. In den meisten anderen europäischen Sprachen jedoch sprießen aus der gleichen Wurzel sowohl Substantive wie Adjektive. Für das Deutsche, wo beide gleichlautend sind, wird dies von den Reformern auch gar nicht bestritten; sie gehen aber im Falle von *Bankrott gehen in Analogie zu *Pleite gehen von einer „substantivischen Auffassung“ des ersten Bestandteils des Gefüges aus. Angeblich handelt es sich um die „Verkürzung einer Präpositionalphrase“ (S. 71). Diese nicht näher begründete Annahme steht hinter dem erläuternd gemeinten Zusatz des Wörterverzeichnisses: (in den Bankrott gehen).
Es trifft sich nun, daß es nicht nur für Bankrott und bankrott, sondern darüber hinaus auch für bankrott gehen genaue Entsprechungen in anderen germanischen Sprachen gibt. So sagen die Dänen gå bankerot. Vor dem 1948 erfolgten Verzicht auf die Hauptwortgroßschreibung nach deutschem Muster schrieb sich das mit kleinem b (und gaa mit zwei a). Auch der englische Usus zeigt, wie abwegig die von den Reformern – wohlgemerkt für eine obligatorischen Neuschreibung – ins Feld geführte „substantivische Auffassung“ ist. Hier heißt es nämlich go bankrupt. Auch ohne Hauptwortgroßschreibung liegen die grammatikalischen Verhältnisse klar zutage. Das dem deutschen Bankrott mit großem B entsprechende englische Substantiv heißt bankruptcy. Zwar kann auch bankrupt ein Substantiv sein, dann aber in der Bedeutung Bankrotteur. Teilte ein Sprecher des Englischen die Interpretation der deutschen Rechtschreibreformer, so müßte er folglich go bankruptcy schreiben, als Verkürzung von go into bankruptcy. Es sind jedoch keine derartigen Fälle bekannt.
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