Brüchig
Eine Weimarer Ausstellung zeigt die Freimaurer bei der Arbeit am nationalen Gedächtnis. Von Reinhard Markner
Junge Welt, 30. 9. 2002
Im Vorfeld der letzten französischen Präsidentschaftswahlen widmeten die beiden Pariser Nachrichtenmagazine Express und Nouvel Observateur Titelgeschichten der Freimaurerei und ihrem mutmaßlichen Einfluß auf die große Politik. Möglicherweise trugen sie damit ihr Scherflein zum Erfolg des Rechtsextremisten Le Pen bei, dessen Partei unter anderem in der Tradition einer Gegnerschaft zum Freimaurertum (des Antimasonismus) wurzelt. Sicher jedenfalls wäre ein ähnlicher Vorgang hierzulande kaum denkbar. Die letzten bekannteren Maurer in der deutschen Politik waren die Liberalen Gustav Stresemann und Thomas Dehler. Das ist lange her, und so schwelgen die Freimaurer gerne in der Erinnerung an jene goldenen Zeiten, da ihr Bund erhebliche gesellschaftliche Bedeutung besaß.
An diesem Punkt setzt die Ausstellung »Geheime Gesellschaft« an, die noch bis Jahresende täglich außer dienstags im Schiller-Museum in Weimar zu sehen ist. Die Tatsache, daß viele der Protagonisten des klassischen Weimar Maurer waren, hatte von jeher, wie sich leicht denken läßt, Bedeutung nicht nur für das Geschichtsbild der ortsansässigen Loge »Amalia«. Die Mitgliedschaft der Klassiker verbürgte die Verankerung der Freimaurerei in den besten Traditionen Deutschlands; allenfalls Mozarts »Zauberflöte« und Lessings Dialog »Ernst und Falk« waren und sind den Maurern heiliger.
Die freimaurerische Geschichte, lange die Geschichte eines Männerbundes mit humanitärer Geisteshaltung, ist zu schön, um wahr zu sein. Der amerikanische Germanist W. Daniel Wilson erinnerte vor gut zehn Jahren daran, daß die Weimarer Loge nach 1782 für geraume Zeit geschlossen blieb, und präsentierte dafür auch eine Erklärung: Herzog Carl August und Goethe seien der Loge – und kurz darauf auch dem paramasonischen Geheimbund der Illuminaten – nur beigetreten, um deren Aktivitäten um so besser überwachen zu können. Von der Kontroverse um diese These sollen die Besucher der Weimarer Ausstellung nichts und die Leser des üppigen Katalogs (Hanser, 29,90 Euro) so wenig wie möglich erfahren. Das ist bedauerlich, denn es müßte heute möglich sein, Geschichte auch dem breiten Publikum nicht nur als ein So-war-es-und-nicht-anders zu präsentieren.
Ansatzweise immerhin kann man erkennen, daß die Entstehung der »symbolischen Maurerei« von den Weimarer Kuratoren aus hermetischen Traditionen abgeleitet wird. Für die sozialgeschichtliche Deutung, die in den Logen vornehmlich Orte der freien Aussprache zwischen Adel und Bürgertum sah, haben sie nicht mehr viel übrig. Als Ergebnis ihrer Bemühungen kann man nun eine Paradigmenwechselausstellung besichtigen.
Konstanter als die Geschichtskonstruktionen der neueren Historiographie ist, zumindest auf den ersten Blick, die Traditionsbildung der Freimaurer. Goethe selbst nahm 1813 in einer »Trauerloge« von Wieland Abschied und begründete so den Brauch der wiederbelebten »Bauhütte Amalia«, der in den »ewigen Osten« eingegangenen Brüder festlich zu gedenken. Die Ausstellung führt vor, wie sich die Weimarer Freimaurer im 19. Jahrhundert durch beharrliche »Arbeit am nationalen Gedächtnis« einen Logenplatz im Theater der bürgerlichen Eitelkeiten erkämpften. Sie stellt bloß, wie sich die Maurer darin verausgabten, die Klassiker zu vereinnahmen und schließlich die eigenen kosmopolitischen Ideale an den Zeitgeist der nationalen Überhebung verrieten.
Schiller distanzierte sich entschieden von dem maurerischen Treiben seiner Umgebung in Stuttgart, Mannheim und Weimar. Der Genius loci seines Hauses scheint die Ausstellungsmacher zu ihrer erfrischend ungeschönten Darstellung inspiriert zu haben. Entgangen ist ihnen allerdings, daß die deutsche Freimaurerei kaum noch die nötige Fallhöhe für eine ideologiekritische Betrachtung hat. Es fällt schwer, eine Institution zu entlarven, die sich heutzutage Mühe geben muß, ob ihrer altertümlichen Bräuche nicht belächelt zu werden.
Eines der letzten Exponate der Weimarer Ausstellung ist ein vergilbtes Spiegel-Heft. Es zeigt Theodor Vogel, der sich in der Nachkriegszeit um die Einigung der bundesdeutschen Logensysteme bemühte, und stammt aus dem Jahre 1963. So lange ist es her, daß die Freimaurerei in Deutschland Stoff für eine Titelgeschichte war. Heute ist sie nur noch Beute für kritische Historiker.
* »Geheime Gesellschaft. Weimar und die deutsche Freimaurerei.« Schiller-Museum, Weimar, bis 31.12. Bis 31.10. täglich von 9 bis 18 Uhr, ab 1.11. täglich von 9 bis 16 Uhr, dienstags geschlossen. Eintritt 5 Euro (ermäßigt 3 Euro)
Junge Welt, 30. 9. 2002
Im Vorfeld der letzten französischen Präsidentschaftswahlen widmeten die beiden Pariser Nachrichtenmagazine Express und Nouvel Observateur Titelgeschichten der Freimaurerei und ihrem mutmaßlichen Einfluß auf die große Politik. Möglicherweise trugen sie damit ihr Scherflein zum Erfolg des Rechtsextremisten Le Pen bei, dessen Partei unter anderem in der Tradition einer Gegnerschaft zum Freimaurertum (des Antimasonismus) wurzelt. Sicher jedenfalls wäre ein ähnlicher Vorgang hierzulande kaum denkbar. Die letzten bekannteren Maurer in der deutschen Politik waren die Liberalen Gustav Stresemann und Thomas Dehler. Das ist lange her, und so schwelgen die Freimaurer gerne in der Erinnerung an jene goldenen Zeiten, da ihr Bund erhebliche gesellschaftliche Bedeutung besaß.
An diesem Punkt setzt die Ausstellung »Geheime Gesellschaft« an, die noch bis Jahresende täglich außer dienstags im Schiller-Museum in Weimar zu sehen ist. Die Tatsache, daß viele der Protagonisten des klassischen Weimar Maurer waren, hatte von jeher, wie sich leicht denken läßt, Bedeutung nicht nur für das Geschichtsbild der ortsansässigen Loge »Amalia«. Die Mitgliedschaft der Klassiker verbürgte die Verankerung der Freimaurerei in den besten Traditionen Deutschlands; allenfalls Mozarts »Zauberflöte« und Lessings Dialog »Ernst und Falk« waren und sind den Maurern heiliger.
Die freimaurerische Geschichte, lange die Geschichte eines Männerbundes mit humanitärer Geisteshaltung, ist zu schön, um wahr zu sein. Der amerikanische Germanist W. Daniel Wilson erinnerte vor gut zehn Jahren daran, daß die Weimarer Loge nach 1782 für geraume Zeit geschlossen blieb, und präsentierte dafür auch eine Erklärung: Herzog Carl August und Goethe seien der Loge – und kurz darauf auch dem paramasonischen Geheimbund der Illuminaten – nur beigetreten, um deren Aktivitäten um so besser überwachen zu können. Von der Kontroverse um diese These sollen die Besucher der Weimarer Ausstellung nichts und die Leser des üppigen Katalogs (Hanser, 29,90 Euro) so wenig wie möglich erfahren. Das ist bedauerlich, denn es müßte heute möglich sein, Geschichte auch dem breiten Publikum nicht nur als ein So-war-es-und-nicht-anders zu präsentieren.
Ansatzweise immerhin kann man erkennen, daß die Entstehung der »symbolischen Maurerei« von den Weimarer Kuratoren aus hermetischen Traditionen abgeleitet wird. Für die sozialgeschichtliche Deutung, die in den Logen vornehmlich Orte der freien Aussprache zwischen Adel und Bürgertum sah, haben sie nicht mehr viel übrig. Als Ergebnis ihrer Bemühungen kann man nun eine Paradigmenwechselausstellung besichtigen.
Konstanter als die Geschichtskonstruktionen der neueren Historiographie ist, zumindest auf den ersten Blick, die Traditionsbildung der Freimaurer. Goethe selbst nahm 1813 in einer »Trauerloge« von Wieland Abschied und begründete so den Brauch der wiederbelebten »Bauhütte Amalia«, der in den »ewigen Osten« eingegangenen Brüder festlich zu gedenken. Die Ausstellung führt vor, wie sich die Weimarer Freimaurer im 19. Jahrhundert durch beharrliche »Arbeit am nationalen Gedächtnis« einen Logenplatz im Theater der bürgerlichen Eitelkeiten erkämpften. Sie stellt bloß, wie sich die Maurer darin verausgabten, die Klassiker zu vereinnahmen und schließlich die eigenen kosmopolitischen Ideale an den Zeitgeist der nationalen Überhebung verrieten.
Schiller distanzierte sich entschieden von dem maurerischen Treiben seiner Umgebung in Stuttgart, Mannheim und Weimar. Der Genius loci seines Hauses scheint die Ausstellungsmacher zu ihrer erfrischend ungeschönten Darstellung inspiriert zu haben. Entgangen ist ihnen allerdings, daß die deutsche Freimaurerei kaum noch die nötige Fallhöhe für eine ideologiekritische Betrachtung hat. Es fällt schwer, eine Institution zu entlarven, die sich heutzutage Mühe geben muß, ob ihrer altertümlichen Bräuche nicht belächelt zu werden.
Eines der letzten Exponate der Weimarer Ausstellung ist ein vergilbtes Spiegel-Heft. Es zeigt Theodor Vogel, der sich in der Nachkriegszeit um die Einigung der bundesdeutschen Logensysteme bemühte, und stammt aus dem Jahre 1963. So lange ist es her, daß die Freimaurerei in Deutschland Stoff für eine Titelgeschichte war. Heute ist sie nur noch Beute für kritische Historiker.
* »Geheime Gesellschaft. Weimar und die deutsche Freimaurerei.« Schiller-Museum, Weimar, bis 31.12. Bis 31.10. täglich von 9 bis 18 Uhr, ab 1.11. täglich von 9 bis 16 Uhr, dienstags geschlossen. Eintritt 5 Euro (ermäßigt 3 Euro)
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
<< Home