Gymnasium und Geschäft
Ärger mit der Behörde: Zum 125. Geburtstag des Rechtschreib-Duden
Junge Welt, 8. 7. 2005
Als der Hersfelder Gymnasialdirektor Konrad Duden im Juli vor genau 125 Jahren sein »Vollständiges Orthographisches Wörterbuch« dem geneigten Publikum vorstellte, bürgte er dafür, daß es »ein zuverlässiges Hilfsmittel zur Ermittelung der der amtlich aufgestellten Norm entsprechenden Schreibung« darstelle. Die strikte Orientierung an den behördlichen Vorgaben war der Schlüssel zum durchschlagenden Erfolg seines Werks. Für Dudens Nachfolger ist sie zum Problem in Permanenz geworden.
Sowohl der Leipziger als auch der Mannheimer Duden hatten in der Nachkriegszeit eine je privilegierte Stellung inne. Nicht die amtliche Regelung von 1901, das Grundgesetz der Einheitsrechtschreibung, galt als »maßgeblich in allen Zweifelsfällen«, sondern der Duden. Diesen Zustand zu beenden bedurfte es dringend einer Rechtschreibreform. »Das Ziel der Reform waren gar nicht die Neuerungen. Das Ziel war, die Rechtschreibregelung aus der Kompetenz eines deutschen Privatverlages in die staatliche Kompetenz zurückzuholen«, gab ein österreichischer Reformer 1998 in einem ungeschützten Moment zu. Kaum war der VEB Bibliographisches Institut an den Mannheimer Betrieb verramscht, mußte die deutsche Rechtschreibung von neuem verstaatlicht werden, um der Duden-Konkurrenz bessere Möglichkeiten am Wörterbuchmarkt zu verschaffen.
Eine »Chance, endlich auf dem Markt der deutschen Wörterbücher Fuß zu fassen«, nannte es 1998 ein Mitglied der Verlagsleitung des Bertelsmann-Lexikon-Verlags. Das absehbar gute Geschäft brummte vernehmlich – zu diesem Zeitpunkt waren bereits zwei Millionen Bertelsmann-Rechtschreibwörterbücher (allerdings nur zum halben Preis des Dudens) verkauft. Der Mutterkonzern Bertelsmann AG, der von 1988 bis 1993 keine deklarierungspflichtigen Parteispenden geleistet hatte, bedachte 1994 und 1995 CDU und FDP mit insgesamt 211 000 DM. Es bestand sicherlich kein Zusammenhang mit der politischen Vorbereitung der Rechtschreibreform.
Daß die Reform gegen den Duden gerichtet war, gab man dessen damaligem Chefredakteur Günther Drosdowski auch ganz persönlich zu spüren. In einem Brief an den schwedischen Germanisten Gustav Korlén erinnerte er sich 1997, wie man ihn »mit allen nur erdenklichen Mitteln und Tricks ... zu isolieren und von der Mitarbeit auszuschließen« trachtete. Seine »Stellungnahmen und Listen mit Korrekturen« verschwanden, ohne den Adressaten zugestellt worden zu sein. Sitzungstermine wurden verschoben, ohne daß Drosdowski davon erfuhr. In einem anderen Brief sprach er von »mafiaähnlichen Methoden« der Reformer und davon, daß sie »von der Verschriftung der Sprache und der Funktion der Rechtschreibung für die Sprachgemeinschaft keine Ahnung« hätten. In der Öffentlichkeit verteidigte er dieweil ihr Werk.
Gravierender noch als diese Konflikte war es, daß man in Mannheim nicht rechtzeitig erkannte, daß der damalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair entschlossen war, noch im letzten Moment einige Änderungen am Regelwerk durchzusetzen. Eine hohe Auflage bereits gedruckter Duden mußte eingestampft werden. »Haben sich die Herren eben verkalkuliert«, kommentierte der Minister. Zum Glück für den windgebeutelten Verlag blieb wenigstens der Versuch eines besonders eifrigen Reformers, dem Duden die Zulassung an den deutschen Schulen entziehen zu lassen, ohne Erfolg.
Allen Widrigkeiten zum Trotz ist der gelbe Klotz längst wieder souveräner Marktführer, und zum Konzerngewinn der Gruppe Langenscheidt-Brockhaus-Duden trägt er allein ein sattes Viertel bei. Währenddessen wird der für August, gleichzeitig mit der teilweise vorläufig endgültigen Inkraftsetzung der Reform, angekündigte neue Wahrig nicht eben mit Spannung erwartet. Einen dtv-Wahrig von 2002 kann man über Amazon gar schon für einen Cent erstehen, zuzüglich Versandkosten. Das darf niemanden überraschen und sollte auch niemanden zum Kauf verleiten. Denn seit 1996 gilt: Nichts ist älter als die neue Rechtschreibung von gestern.
Junge Welt, 8. 7. 2005
Als der Hersfelder Gymnasialdirektor Konrad Duden im Juli vor genau 125 Jahren sein »Vollständiges Orthographisches Wörterbuch« dem geneigten Publikum vorstellte, bürgte er dafür, daß es »ein zuverlässiges Hilfsmittel zur Ermittelung der der amtlich aufgestellten Norm entsprechenden Schreibung« darstelle. Die strikte Orientierung an den behördlichen Vorgaben war der Schlüssel zum durchschlagenden Erfolg seines Werks. Für Dudens Nachfolger ist sie zum Problem in Permanenz geworden.
Sowohl der Leipziger als auch der Mannheimer Duden hatten in der Nachkriegszeit eine je privilegierte Stellung inne. Nicht die amtliche Regelung von 1901, das Grundgesetz der Einheitsrechtschreibung, galt als »maßgeblich in allen Zweifelsfällen«, sondern der Duden. Diesen Zustand zu beenden bedurfte es dringend einer Rechtschreibreform. »Das Ziel der Reform waren gar nicht die Neuerungen. Das Ziel war, die Rechtschreibregelung aus der Kompetenz eines deutschen Privatverlages in die staatliche Kompetenz zurückzuholen«, gab ein österreichischer Reformer 1998 in einem ungeschützten Moment zu. Kaum war der VEB Bibliographisches Institut an den Mannheimer Betrieb verramscht, mußte die deutsche Rechtschreibung von neuem verstaatlicht werden, um der Duden-Konkurrenz bessere Möglichkeiten am Wörterbuchmarkt zu verschaffen.
Eine »Chance, endlich auf dem Markt der deutschen Wörterbücher Fuß zu fassen«, nannte es 1998 ein Mitglied der Verlagsleitung des Bertelsmann-Lexikon-Verlags. Das absehbar gute Geschäft brummte vernehmlich – zu diesem Zeitpunkt waren bereits zwei Millionen Bertelsmann-Rechtschreibwörterbücher (allerdings nur zum halben Preis des Dudens) verkauft. Der Mutterkonzern Bertelsmann AG, der von 1988 bis 1993 keine deklarierungspflichtigen Parteispenden geleistet hatte, bedachte 1994 und 1995 CDU und FDP mit insgesamt 211 000 DM. Es bestand sicherlich kein Zusammenhang mit der politischen Vorbereitung der Rechtschreibreform.
Daß die Reform gegen den Duden gerichtet war, gab man dessen damaligem Chefredakteur Günther Drosdowski auch ganz persönlich zu spüren. In einem Brief an den schwedischen Germanisten Gustav Korlén erinnerte er sich 1997, wie man ihn »mit allen nur erdenklichen Mitteln und Tricks ... zu isolieren und von der Mitarbeit auszuschließen« trachtete. Seine »Stellungnahmen und Listen mit Korrekturen« verschwanden, ohne den Adressaten zugestellt worden zu sein. Sitzungstermine wurden verschoben, ohne daß Drosdowski davon erfuhr. In einem anderen Brief sprach er von »mafiaähnlichen Methoden« der Reformer und davon, daß sie »von der Verschriftung der Sprache und der Funktion der Rechtschreibung für die Sprachgemeinschaft keine Ahnung« hätten. In der Öffentlichkeit verteidigte er dieweil ihr Werk.
Gravierender noch als diese Konflikte war es, daß man in Mannheim nicht rechtzeitig erkannte, daß der damalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair entschlossen war, noch im letzten Moment einige Änderungen am Regelwerk durchzusetzen. Eine hohe Auflage bereits gedruckter Duden mußte eingestampft werden. »Haben sich die Herren eben verkalkuliert«, kommentierte der Minister. Zum Glück für den windgebeutelten Verlag blieb wenigstens der Versuch eines besonders eifrigen Reformers, dem Duden die Zulassung an den deutschen Schulen entziehen zu lassen, ohne Erfolg.
Allen Widrigkeiten zum Trotz ist der gelbe Klotz längst wieder souveräner Marktführer, und zum Konzerngewinn der Gruppe Langenscheidt-Brockhaus-Duden trägt er allein ein sattes Viertel bei. Währenddessen wird der für August, gleichzeitig mit der teilweise vorläufig endgültigen Inkraftsetzung der Reform, angekündigte neue Wahrig nicht eben mit Spannung erwartet. Einen dtv-Wahrig von 2002 kann man über Amazon gar schon für einen Cent erstehen, zuzüglich Versandkosten. Das darf niemanden überraschen und sollte auch niemanden zum Kauf verleiten. Denn seit 1996 gilt: Nichts ist älter als die neue Rechtschreibung von gestern.
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